Ein Boot ist nicht genug
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Darf´s vielleicht ein bisschen mehr sein? In gewissen Kreisen gehört es ja zum guten Ton, nicht nur ein Boot sein Eigen zu nennen- spontan denkt man da ja sofort an Namen wie Jeff Bezos oder Roman Abramowitsch. Deren „Boote“ würden unseren schönen Yachtclub- und zwangsläufig das Revier- allerdings nicht nur größentechnisch überfordern, auch die dazugehörigen Beiboote wären in Punkto Maßvorgaben des Ruhrverbandes jenseits von Gut und Böse. Ganz abgesehen davon, dass das schillernde VIP- Gehabe um die Milliardärs-Eigner sicher den meisten von uns in unserer gemütlichen Marina alles andere als angenehm wäre.
Und dennoch gibt es auch den ein oder anderen in unseren Reihen, der sich unversehens als Besitzer eines Zweitbootes wiederfindet, natürlich in aller Bescheidenheit, und sozusagen eingeholt von dem Grundbedürfnis eines Seglers, einfach nur mal wieder aufs Wasser zu wollen.
Nehmen wir beispielsweise unseren Segelkameraden Ulf Hogräfer. Der im ersten Leben gelernte Schlosser mutierte aus Liebe zu warmen Materialien im zweiten Anlauf zum Schreiner- und Tischlermeister, wobei seine stille Liebe eigentlich schon immer dem Bootsbau gehörte. Und da Ulf handwerklich nichts fremd ist, kam die dritte Karriere geradezu zwangsläufig, als Gesicht der WDR- DIY Fernseh-Reportagen „Hogräfer packt´s an“. Denn es gibt nichts, was Ulf nicht kann, oder wo er keine pfiffige Idee zur Lösung hätte. Und so jemand hegt natürlich beim Thema Segeln eine ganz eindeutige Liebe: das klassische Holzboot!
Als dann auch noch zufällig mit einer Jouet Kap Horn ein wunderschönes Schiff von 1961, natürlich komplett aus Holz, sein Herz eroberte, wars passiert: Aus dem einstigen 470er Fan wurde in Eigner Gemeinschaft der Besitzer eines Kajütboots, dass größentechnisch perfekt für die Bigge war.
Wohlweislich in Eigner Gemeinschaft, denn so ein Holzboot, noch dazu im zarten Alter von 65 Jahren, ist zwangsläufig eine Diva, sprich eine ständig umsorgte, kosten- und arbeitsintensive Baustelle. Und geteiltes Leid ist nun mal halbes Leid.
Ein perfektes Projekt für das Pandemie-Jahr ´21, so hatte man wenigstens zu tun. Nach 5 Monaten, einer Menge Arbeit und den entsprechenden Kosten ging die „Sinanja“ dann endlich im August ins Wasser. Ein spannender Moment: Dicht oder nicht dicht, dass war hier die Frage? - fast, lautete die Antwort! Denn zwar reduzierte sich der Wassereinbruch sukzessive auf etwa einen halben Eimer in 24 Stunden, aber ganz dicht wurde die alte Dame nicht mehr, egal, was unser Holzwurm Ulf auch noch versuchte. Aber mit 65 Jahren auf dem Buckel kann das mit „Undichtigkeiten“ ja schon mal passieren...
Diagnose: Wassereinbruch am Kiel, der musste runter, also ab in die Werft. Und so stand die „Sinanja“ in der Henze-Weft am Möhnesee, Kiel und Schwert wurden sandgestrahlt, verzinkt, und das Kielschwein getauscht. Eine dicke Rechnung war programmiert. Und hätte Ulf den Hauptteil der Holzarbeiten nicht selbst gemacht, inklusive neuer Kielbolzen aus Edelstahl, es wäre wohl ein Fass ohne Boden gewesen. Haken bei der Sache: Es dauerte. Die Saison ´22 brach an, aber ohne Boot für unsere Holzbootfreunde.
Geht nicht, dachte sich Ulf. Und weil seine Fähigkeiten dank unzähliger Reportagen mittlerweile eine große Fangemeinde haben, und er mit seinen Kundenaufträgen viele im Land unterwegs ist, stolperte er dabei zufällig über eine verwaiste Biga 24 aus einer Erbmasse, die geradezu nach einer pflegenden Hand lechzte!
Ein Boot ist kein Boot, dachte sich Ulf, und für kleines Geld wechselte die Biga den Besitzer- ein Boot ist manchmal eben nicht genug. Wobei die Biga dann stellvertretend für die Jouet zwar im Sommer für Segelspaß sorgte, aber sich nach und nach dann auch als Baustelle entpuppte. Zwar mit GFK-Rumpf, aber wenigstens einem kompletten Holzaufbau. Womit das Ganze dann wieder von vorne losging…
Und so wandert jetzt erstmal wieder die Jouet ins Wasser, natürlich nach ein paar notwendigen Arbeiten, ein ganzes Jahr draußen mag so ein Holzboot eben nicht. Und die Biga bleibt im „Trockendock“. Das Schöne daran: Ulf hat immer gut zu tun. Schließlich wollte er ja immer schon Bootsbauer werden. Und so vereinen sich seine Schreiner-Qualitäten mit den Bedürfnissen der Boote zu einem ganz neuen Erfahrungshorizont. Mit dem Vorteil, dass er natürlich im Yachtclub den Segelkameraden gerne mal mit seinen Qualitäten weiterhelfen kann. Ein Boot ist eben nicht genug- mal sehen, was hier noch so alles auf ihn wartet.